Skitouren Olymp - Pulverschnee unter der Sonne Griechenlands
Skitouren Olymp - Pulverschnee unter der Sonne Griechenlands
Ein Tourenbericht von Lissy Brommer
Wer am Bodensee wohnt und im Februar auf Skitouren geht, den vermutet man in den schneereichen Regionen der Schweiz, Italien, Österreich oder Deutschland. Mittlerweise touristisch attraktive Ziele wie Grönland, Island oder die Lofoten sind längst kein Geheimtipp mehr, doch eher Destinationen für den Frühling. Wohin also sonst?
Unser Entschluss, für unsere diesjährige Skitourenwoche nach Griechenland zu reisen, rief vielerorts Erstaunen hervor. Wer an Hellas denkt, dem kommt eher Sommer, Sonne, Strand und griechischer Wein in den Sinn als schneebedeckte Berge im Winter. Wir, fünf Freunde vom Bodensee und Hochrhein, ein gemischtes Völkchen aus sehr erfahrenen und weniger erprobten Skitourengängerinnen und –gängern, lassen uns durch Impressionen auf der Homepage von Andis Skitouren Reisen inspirieren. Unsere Route führt uns von Thessaloniki zum Olymp, von dort geht es quer durch das Land. Nach einer Besichtigung der Meteora-Klöster (Unesco Weltkulturerbe) geht es weiter zum östlichen Pindos-Nationalpark. Am letzten Abend tauchen wir in die laute Stadt Thessaloniki und nehmen bei traditionellen Gerichten und Live-Musik Abschied von Griechenland.
Skitouren Olymp
Am Flughafen in Thessaloniki holt uns Andi Serafim mit einem Van ab. Er bringt uns in das gemütliche Hotel in einem Bergdorf. Die Tour am nächsten Morgen soll uns zum Olymp führen (Skitouren Olymp). Doch die Götter sind uns nicht gewogen. Von einem Militärcamp aus starten wir in dichtem Schneetreiben und mit Sturmböen. Fehlende Sicht erschwert den Aufstieg. Dabei begegnet uns eine Gruppe von Soldaten mit Schneeschuhen, die von ihrer Übung aus dem Sturm zurückkommt. Verwunderlicher erscheint uns ein Mann in kurzen Hosen und Turnschuhen, der meint, er müsse sich „abhärten“. Das Trainings-Camp erfüllt wohl die unterschiedlichsten Ziele.
Als unsere Gruppe mit vereisten Wangen, Augenbrauen und teilweise durch Sturm tränende Augen die erste Hütte oberhalb der Liftstation erreicht, wird die Lage nochmals erörtert. Wetterbesserung ist nicht in Sicht, der Sturm nimmt zu. Daher kehren alle gemeinsam zurück, um im roten Haus, das den Soldaten als Casino dient, sich aufzuwärmen und zu erfrischen. Ein junger Soldat nimmt die Bestellung auf. Vier Männer: vier Bier; Frauen: einfach anders. Die Heiterkeit ist groß, als die Frage nach einer Latte Macchiato aufkommt. In dieser kargen Unterkunft gibt es nur Pulverkaffee.
Zum Skitouren gehört auch das Aufgeben geplanter Vorhaben aus Sicherheitsgründen. In der Nähe, auf einem Nachbarberg stürzen zwei Wanderer einer Gruppe aus Skopje am gleichen Tag in den Tod. Man soll sein Schicksal nicht herausfordern. Wir haben mit Andi einen erfahrenen Skitouren-Führer und genießen einen heiteren Abend im Hotel.
Meteora – die schwebenden Klöster
Am nächsten Tag durchqueren wir das Land Richtung Westen. In verhaltenem Februarlicht ruht sich die Landschaft vom heißen Sommer aus. Die Hügel und sanften Bergketten zeigen sich in Grün, Grau und Braun. Wenn die Sonne durch den hellgrauen Wolkenteppich gelangt, dann leuchtet dieses erdige Farbengemisch besonders intensiv. Wir erreichen die Meteora-Klöster, die heute zum Unesco-Weltkulturerbe gehören, bei Kalambaka in Thessalien am späten Vormittag. Meteora bedeutet „in die Höhe erheben“, diese Bezeichnung trifft es. Wie Trutzburgen erheben sich die Berge in dunklem Gestein mit grünem Flor aus der Ebene. Auf ihren Gipfeln oder in Felsennischen befinden sich die alten Anlagen aus dem 11. Jahrhundert, die als Rückzugsort und Schutz dienten. Einige sind noch immer von Mönchen und Nonnen bewohnt. Mehrfach dienten sie als Filmkulisse, z. B. für Tim und Struppi (1961) oder den James Bond-Film mit „In tödlicher Mission“ mit Roger Moore (1981).
Im Pindos-Gebirge
Einen idealen Ausgangspunkt für weitere Abenteuer im Pulverschnee Griechenlands bietet uns ein Bergdorf im Pindos-Gebirge. Was uns bei der Einfahrt in das vor mehreren Jahrhunderten gegründete Dorf recht beeindruckt, ist die traditionelle Steinarchitektur der Häuser, Wohnungen und Wege sowie der malerische Ortskern mit einer alten Kirche. Der Ort wirkt verlassen. Die übliche Winterruhe, erklärt uns Andi. Ungefähr 90 Personen leben dauerhaft im Ort. Viele der jungen Leute, die wegen des Berufs fortgingen, kommen im Alter wieder zurück, zumindest an den Wochenenden oder in den Ferien. Im Sommer wandern hier viele Touristen.
In unserem Quartier werden wir in den nächsten Tagen mit hausgemachten Speisen verwöhnt. Andi, der perfekt griechisch spricht, kümmert sich um unser Wohlbefinden. In der kleinen Gaststube unserer Pension sind wir unter uns. Im Kamin prasselt ein Feuer und mit Wein, Retsina oder Bier genießen wir wohlige Abende, bis uns die Augen zu fallen.
An einem Tage unternehmen wir einen Wanderausflug zur Vikos-Schlucht, die mehr als 20 Kilometer lang und 900 Meter tief ist. Die alten Bogenbrücken aus osmanischer Zeit verbanden in früheren Zeiten die Dörfer der Zagoria. Wir wandern zu einem kleinen Kloster, wo wir 400 Meter über der Vikos-Schlucht die atemberaubende Aussicht genießen. Über einen kleinen Pfad erreichen wir in der anliegenden Schlucht einige Höhlen, die in früherer Zeit als Klause und Rückzugsort diente.
Skitouren im Pindos-Gebirge sind für uns etwas Besonderes. Wer seine Ausdauer steigern möchte, der ist hier richtig. Lange Wege über sanfte Hügel hinaus in weite Täler mit anschließenden Aufstieg in die Höhe fordern unsere Kräfte. Die Tour auf einen Gipfel mit knapp 2500 Meter war der Höhepunkt unserer Woche. Um 7 Uhr früh brechen wir auf. Am Horizont zeigt sich das erste Morgenrot unter fast wolkenfreien Himmel. Über einen Fahrweg steigen wir gemächlich auf. Nach zweidreiviertel Stunden liegen etliche Kilometer und knapp die Hälfte der angestrebten Höhenmeter hinter uns. Der Wind fegt uns trotz Sonnenscheins eisig über das Gesicht.
Durch eine Rinne erklimmen wir einen Steilhang. Wer bis dahin keine Spitzkehre konnte, der lernt sie nun. Nach oben hin verbreitet sich die Rinne zu einem Wannenbett, aus dem wir schließlich auf einen breiten Hang gelangen. Nach kurzer Rast gehen wir weiter und erreichen kurz vor 12 Uhr den Gipfel. Als wollten uns die Götter für unsere Mühen belohnen, beruhigt sich endlich auch der Wind. Während wir unser Vesper verzehren genießen wir den fantastischen Ausblick auf die Landschaft rund herum. Ein weiterer Höhepunkt unserer Reise ist die Fahrt vom Gipfel. Uns erwartet unverspurtes Gelände und eine Abfahrt 1300 Höhenmetern im Pulver und Firn. Unberührte Schneefelder liegen vor uns und wir gleiten weitläufig hin und her. Begeistert rauschen wir den Steilhang hinunter – Skifahrer im Pulverglück.
Bei strahlender Sonne erholen wir uns anschließend bei einem Alpha-Bier auf der Terrasse unseres Guesthouse, welches uns in den vergangenen Tagen wohlige Heimat geworden ist. Danach heißt es Abschied nehmen von unserer Wirtin und ihrer Tochter. Während der Fahrt nach Thessaloniki denkt wohl mancher von uns an die eindrucksvollen Tage im Pindos-Gebirge zurück. Es war das erste Mal, dass wir dort waren, aber sicher nicht das letzte Mal.
ENDE
Mit freundlicher Genehmigung der Autorin, Copyright © Lissy Brommer, Kreuzlingen – 2018
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